BIV
Frau Titze, Drees & Sommer gehört zu den Vordenkern für das Planen und Bauen mit vorgefertigten Bauelementen. Wie sieht es mit Ihrer Praxiserfahrung aus?
Heike Titze
Wir haben als Spezialisten für Planung und Projektmanagement bereits viele Kundenvorhaben mithilfe der seriellen Modulbauweise realisiert. Darunter etwa das bisher höchste Hybrid-Gebäude in der Schweiz. Hinzu kommen weitere Bauten für private wie öffentliche Bauherren. Das Spektrum reicht von Flüchtlingsunterkünften bis zu hochwertigen Hotelgebäuden. Erfahrungen konnten wir mit Vorfertigungslösungen nicht nur als Planer, sondern auch als Bauherren in eigener Sache sammeln: bei unserem gerade erst realisierten Büroneubau in Stuttgart.
BIV
Welches sind die drei größten Vorteile der Vorfertigung?
HT
Der Hauptvorteil liegt in der Bauzeit. Vorfertigung beschleunigt die Arbeit auf der Baustelle enorm. Realistisch sind bis zu 50 Prozent reduzierte Bauzeiten. Damit geht eine wesentlich kürzere Beeinträchtigung der Nachbarschaft durch Bauaktivitäten einher.
Vorteil Nummer zwei ist die werksseitig kontrollierte Qualität von vorgefertigten Bauelementen. Diese entstehen in wettergeschützter Umgebung in einer Werkshalle, dort werden sie von Fachkräften unter idealen Bedingungen produziert. Auf der Baustelle gibt es daher kaum Nachbesserungsbedarf. Im Vergleich zur herkömmlichen Bauweise reduziert sich dadurch die im Projekt veranschlagte Zeit für die Mängelbeseitigung auf ein Minimum.
Unterm Strich, und das ist Vorteil Nummer drei, erhöht sich durch Vorfertigung die Termin- und Kostensicherheit in einem Bauprojekt signifikant.
BIV
Welche baulichen Herausforderungen lassen sich besonders gut und effizient mithilfe von vorgefertigten Bauteilen angehen?
HT
Ihre Stärken spielt die Vorfertigung vor allem dann aus, wenn sie mit serieller Bauweise kombiniert wird. Denn je höher die Wiederholungsrate ist, mit der ein Bauelement in der Vorfertigung produziert wird, desto geringer fallen die Stückkosten aus. Diese Effizienz ist ein wesentlicher Punkt, wenn es um das Entwicklungspotenzial der Branche geht.
Zur Verdeutlichung: Konventionelles Planen und Bauen bedeutet eine Produktivität von unter 50 Prozent. Das ist kein dauerhaft akzeptabler Wert. Mithilfe einer stärker auf Vorfertigung setzenden Bauweise ließe er sich massiv verbessern. Die Branche benötigt daher einen Reset beim Design, beim Engineering sowie in der Produktion und Ausführung von Gebäuden.
BIV
Was müssen Planer und Bauherren beachten, damit dieser Reset in der Praxis gelingt?
HT
Vorfertigung und serielles Bauen erfordern ein Mehr an Planungsleistung. Das Bauprojekt als solches auszuarbeiten, genügt nicht mehr. Planer müssen sich tiefer als bisher mit konkreten Bauweisen, Materialien und Elementverbindungen auseinandersetzen, um die Auswahl und Produktion sowie den Einbau vorgefertigter Teile auf der Baustelle fachgerecht planen zu können. Mehr noch: Damit es bis zur Umsetzung eines Projekts kommt, muss die Planung vor allem marktgerecht sein. Denn der beste Plan wird scheitern, wenn sich keine geeigneten Partner für die Produktion und den Einbau der geplanten Vorfertigungsteile finden.
Auch auf Seiten der Bauherren braucht es ein Umdenken und eine neue Herangehensweise. Sie müssen den höheren Planungsaufwand akzeptieren und als Vorteil begreifen. So klar und deutlich, dass sie ihrerseits auf die Einbindung des nötigen ausführungsorientierten Wissens in die Planungsphase drängen und bereits frühzeitig die Erfahrung eines in der Vorfertigung versierten Planungsbüros in Anspruch nehmen.