Josef Scharnagl
Josef Scharnagl | © Axel Effner
Interview | 19.02.2024
Josef Scharnagl
Josef Scharnagl | © Axel Effner

Josef Scharnagl – „Vorfertigung rechnet sich, wenn Projektentwickler die richtigen Partner haben“

Die Wohnungsbaugesellschaft Traunstein ist eine 2022 gegründete, 100-prozentige Tochter der Großen Kreisstadt Traunstein. Ihr Auftrag: Das Errichten und Bewirtschaften von bezahlbarem Wohnraum für die Bürgerinnen und Bürger in der Region. Vorfertigung und serielles Bauen spielen dabei eine wachsende Rolle. Warum das so ist und welche Rahmen­bedingungen Vorfertigung braucht, verrät Josef Scharnagl, Geschäftsführer der Wohnungs­baugesellschaft, im Interview.

BIV
Worin bestehen die drei größten Vorteile der Vorfertigung im kommunalen Wohnungsbau?

Josef Scharnagl (JS)
Der größte Vorteil ist die Geschwindigkeit. Durch den Einsatz vorgefertigter Elemente verkürzen sich die Bauzeiten enorm. Eine zweite Stärke ist die konstant hohe Qualität in der Ausführung. Denn vorgefertigte Elemente entstehen in Werkshallen unter kontrollierten Bedingungen und nicht bei Wind und Wetter auf der Baustelle. Ein weiteres Plus ist die Planbarkeit. Wer vorfertigt, muss Bauprojekte frühzeitig bis ins Detail planen. Das schützt vor Überraschungen und ist ein großer Vorteil.

BIV
Das hohe Umsetzungstempo verkürzt die Bauzeiten. Die Nachbarschaft wird weniger lang belastet – und auch weniger stark, da fertige Module vor Ort nicht mehr hergestellt, sondern sofort montiert werden. Wie wichtig ist dieser Aspekt für Sie?

JS
Das ist ein immens wichtiger Punkt! Als kommunale Wohnungsbaugesellschaft legen wir viel Wert auf den Schutz unserer Nachbarn. Noch wichtiger sind uns unsere Mieter – und die profitieren bei Sanierungsarbeiten im Bestand spürbar von den Vorteilen der Vorfertigung.

BIV
Erfordert das modulare Bauen mit vorgefertigten Elementen besondere Maßnahmen oder Rahmenbedingungen? Worauf sollten Bauträger achten?

JS
Attraktiv ist Vorfertigung für Bauträger in erster Linie wegen der wirtschaftlichen und organisatorischen Vorteile. Damit sich diese zuverlässig realisieren und die modulare Bauweise sich rechnet, muss alles nach Plan ablaufen. Vorgefertigte Elemente wie Wände, Filigrandecken oder ganze Bad- und Dachgeschossmodule müssen just-in-time auf die Baustelle geliefert werden, alles muss exakt passen und korrekt montiert werden. Gute und erfahrene Partner sind daher das A und O: von der Planung über die Modulherstellung und Logistik bis hin zur Montage auf der Baustelle. Sprich: Ein Netzwerk mit starken Partnern ist für uns unerlässlich und der Schlüssel zum Erfolg.

BIV
Welche Rolle spielt die Vorfertigung für Sie als kommunale Wohnungsbaugesellschaft speziell im Hinblick auf Aspekte wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit?

JS
Eine sehr wichtige. Wir sind ja nicht nur gesetzlich verpflichtet, CO2-neutraler zu werden. Wir haben als kommunales Unternehmen explizit den Anspruch, Vorreiter zu sein, wenn es um umweltfreundliches Bauen und klimaschonendes Wohnen geht. So erfüllen unsere Neubauprojekte beispielsweise allesamt die KFW40-Anforderungen. Damit zeigen wir, dass nachhaltiges Bauen auch im geförderten, bezahlbaren Segment wirtschaftlich machbar ist. Vorfertigung und serielle, aber regionaltypische Bauweise spielen dabei eine wichtige Rolle.

Neue Möglichkeiten eröffnet die Vorfertigung zudem bei der Sanierung im Bestand. So gab es lange keinen wirtschaftlich sinnvollen Weg, alte Gebäude haus- und heizungstechnisch auf den neuesten Stand zu bringen. Die dafür nötigen Leitungsstränge ließen sich schlicht nicht verlegen, ohne an die Gebäudesubstanz zu gehen. Betroffene Gebäude hätten daher eigentlich abgerissen werden müssen. Heute gibt es zum Glück jedoch erste Anbieter, die Module für die Fassadendämmung anbieten, in die sich alle benötigten Stränge für eine moderne Haustechnik integrieren lassen. Das ist ein großer Fortschritt und erlaubt uns die vollständige Sanierung von Altbeständen innerhalb kürzester Zeit – und das in modularer Bauweise!

BIV
Was erwarten Sie für die Zukunft: Ist modulares Bauen mit vorgefertigten Elementen ein Trend, der sich noch verstärken und die konventionelle Bauweise sogar verdrängen könnte?

JS
Der Trend zur Vorfertigung wird sich sicherlich noch verstärken. Dennoch hat und behält auch das konventionelle Bauen seine Berechtigung – gerade, wenn es um Einzellösungen geht. Das modulare Bauen spielt seine Stärken dann aus, wenn es Wiederholungsfaktoren gibt. Dann kann die Vorfertigung im erweiterten Sinne schon bei der Planung beginnen.

Ein Beispiel: Wenn wir ein Gebäude entwickeln, in dem alle Stockwerke gleich aufgebaut sind, erstellen wir die Planung nur einmal und können skalieren. Das gilt dann auch für die Modulherstellung in der Vorfertigung. Je größer der Wiederholungsfaktor durch serielles Bauen ist, desto wirtschaftlicher wird die Vorfertigung. Auf die Spitze treiben sollten wir diese Mechanik jedoch nicht. Wir müssen stattdessen einen Spagat schaffen, indem wir architektonische Vielfalt zulassen und in weiten Teilen kopierbar bauen. Das ist die Zukunft.

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