
Viele Wege führen zum Ziel
Herstellung und Vertrieb von Betonfertigteilen sind mit CO2-Emissionen verbunden, die an verschiedenen Stellen der Wertschöpfungskette entstehen. Die mit Abstand größte CO2-Quelle ist die Herstellung von Zementklinker, dem unverzichtbaren Hauptbestandteil des Zements im Beton. Zur Erklärung: Um Zementklinker herzustellen – auch bekannt als Portlandzement oder Calciumoxid (CaO) –, muss gemahlener Kalkstein (CaCO3) auf etwa 1.450 Grad Celsius erhitzt werden. Bei dieser Temperatur wandelt sich CaCO3 in CaO um, CO2 wird freigesetzt.
Rund 60 Prozent der Gesamtemissionen entstehen bei der chemischen Umwandlung von Kalkstein zu Zementklinker. Hinzu kommen weitere Teilprozesse, für die heute noch vorwiegend fossile, mit CO2-Emissionen verbundene Energieträger eingesetzt werden: beispielsweise für den Transport der Rohstoffe, in den Teilprozessen zur Produktion von Betonfertigteilen sowie für den Transport der Betonbauteile auf die Baustelle.
Um CO2-neutral zu werden – und das ist das erklärte Ziel der Beton- und Betonfertigteilindustrie sowie der Zementhersteller – müssen daher viele Wege gleichzeitig beschritten werden. Die Branchenakteure haben das verstanden, sie übernehmen Verantwortung und setzen erforderliche Maßnahmen bereits um.
Energiesparende Produktion von Betonfertigteilen
Ein ganzes Bündel an Maßnahmen hilft dabei, die Produktion in der Betonfertigteilindustrie zu optimieren und nachhaltiger zu gestalten. So werden zum Beispiel die Härtekammern vielerorts schon mit hocheffizienten, umweltfreundlichen Technologien betrieben. Gleiches gilt für die Energiegewinnung, hier kommen Blockheizkraftwerke, Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen zum Einsatz. Wo es möglich ist, wird für Trocknungsprozesse zudem die Abwärme von Biogasanlagen genutzt. Ohnehin Standard sind umfassende Stromsparkonzepte sowie die Umstellung der Hersteller-Fuhrparks auf klimaneutrale Antriebe.
Klinkerarme Zemente reduzieren den CO2-Ausstoß
Die Zementindustrie forscht intensiv an innovativen Produkten und Produktionsprozessen, um klimaneutral zu werden. Weitgehend ersetzt wurde schon der in der Vergangenheit überwiegend fossile Brennstoffbedarf für das Brennen des Kalksteins durch alternative, biomassehaltige Brennstoffe mit geringerem CO2-Fußabdruck.
Großes Potenzial versprechen auch neue Produktrezepturen. Der Trend geht zu Zementen mit reduziertem Klinkeranteil. Möglich ist dies etwa durch das Zusetzen von reaktiven oder inerten Stoffen. So ist es gelungen, den Klinkeranteil in den vergangenen zehn Jahren im Mittel um 70 % zu reduzieren.
Tabelle A zeigt, welche CO2-Minderungspotenziale durch den Einsatz klinkereffizienter Zemente und Betone mit hoher Druckfestigkeit bestehen. Aufgeführt werden Orientierungswerte für Treibhausgasemissionen in Abhängigkeit von der gewünschten Zementart und Betondruckfestigkeitsklasse.

Orientierungswerte für leistungsbezogene Treibhausgasemissionen von Beton | © punktum.betonbauteile 1-2022

Orientierungswerte für Treibhausgasemissionen von Beton | © punktum.betonbauteile 1-2022
Die Betonfertigteilhersteller gehen den Weg der Zement- und Betonhersteller aktiv mit, indem sie zunehmend klinkerreduzierte Zementsorten verwenden. Dies führt zu erheblichen CO2-Einsparungen. Welches Potenzial in klinkerarmen Zementen steckt, zeigt eine Beispielrechnung: Bei einem Einfamilienhaus mit 140 m² Grundfläche können bis zu 3.000 kg CO2 eingespart werden. Dies entspricht dem CO2-Ausstoß eines Autos innerhalb von zwei Jahren bei einer jährlichen Fahrleistung von 10.000 km.

Einsparung von CO2 im Vergleich | © punktum.betonbauteile 2-2022
Dekarbonisierung: Der Schlüssel zum klimaneutralen Beton
Beton bzw. das in ihm enthaltene Bindemittel Zement ist für weltweit 6 bis 7 % der anthropogenen CO2-Emissionen verantwortlich. Um klimaneutralen Beton herstellen zu können, muss bei der Zementherstellung angesetzt werden. Effizienzsteigerungen und der Ausbau erneuerbarer Energien sollen bis 2045 weitestgehend CO2-neutrale Produktionsprozesse ermöglichen. Die Fachwelt spricht von Dekarbonisierung.
Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Zementindustrie einen konkreten Zeit- und Maßnahmenplan erarbeitet. Bei der Umsetzung spielen Breakthrough-Technologien wie die CO2-Abscheidung mit anschließender Nutzung oder langfristiger Speicherung eine Schlüsselrolle. Bekannt ist das Konzept unter der Bezeichnung Carbon Capture and Utilisation bzw. Storage, kurz CCUS.
Das Funktionsprinzip: Nicht vermeidbare CO2-Emissionen werden mithilfe innovativer Techniken abgeschieden und eingelagert oder einer Wiederverwendung zugeführt. Im Labor sowie kleineren Abscheideanlagen haben sich unterschiedliche Verfahren bereits bewährt.

CO2-Abscheidanlage | © Schwenk Zement
Der Wandel zur Klimaneutralität erfordert jedoch eine komplett neue Infrastruktur, um grüne Energie verfügbar und den Transport von abgeschiedenem CO2 möglich zu machen.
Die CO2-Roadmap der Betonindustrie zeigt, wohin die Entwicklungen führen sollen.

Ambitioniertes Referenzszenario – CO2-Minderung bis 2050 | © VDZ *
* Quelle: Dekarbonisierung von Zement und Beton – Minderungspfade und Handlangsstrategien; Verein Deutscher Zementwerke e. V.; https://www.vdz-online.de/dekarbonisierung
CO2-Speicherung in Beton – Karbonatisierung
Ist die Roadmap komplett umgesetzt, könnte Beton künftig sogar für eine im besten Sinne negative CO2-Bilanz sorgen. Karbonatisierung heißt das Stichwort. Ein natürlicher Prozess, bei dem ausgehärteter Beton der Umgebungsluft stetig CO2 entzieht. Die Bauelemente selbst gewinnen dadurch noch an Festigkeit.
Studien zufolge können über die Nutzungsdauer eines Betonbauteils durch Karbonatisierung bis zu 25 % der CO2-Prozessemissionen aus der Herstellung des Zements wieder gebunden werden. Das Prinzip macht sich die Industrie nun schon bei der Herstellung zunutze, indem sie Betonwaren in den Härtekammern mit CO2 behandelt. Je nach CO2-Anteil, Behandlungsdauer und Produktbeschaffenheit können auf diese Weise bis zu 20 % CO2 zusätzlich eingebunden werden – bezogen auf den jeweiligen Zementanteil.
Optimierungsperspektiven gibt es auch am Ende der Lebensdauer eines Betonbauwerks. Wird der Altbeton zerkleinert und speziell behandelt, kann er weiteres CO2 aufnehmen.
Ausblick
Der Erfolg aller vorgestellten Maßnahmen und Konzepte hängt auch vom Umfeld ab. Es muss Innovationen zulassen und geeignete Rahmenbedingungen schaffen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Gesetzgebung und das technische Regelwerk. Voraussetzung ist auch und die Bereitschaft der Betonhersteller sowie der betonverarbeitenden Industrie und der Bauherren, die neuen klinkereffizienten Zemente in der Praxis einzusetzen. Die Betonfertigteil- und Betonwarenhersteller bieten mit ihrem Fachpersonal und ihren Herstellungsprozessen ideale Voraussetzungen, um die betontechnologischen Herausforderungen zu bewältigen und höchste Qualität und Klimaschutz in Einklang zu bringen.